Die negativen Realzinsen, und ein positiver Nebeneffekt

Viele junge Anleger stellen sich die Frage, womit sie heute noch Renditen erwirtschaften könnten. Eines vorweg, am Sparbuch erzielt man schon etliche Jahre negative Realzinsen. Negative Realzinsen liegen immer dann vor, wenn die Inflation höher ist als der Zinssatz. Während man im Jahr 2021 bei Sparanlagen (Bindung > 2 Jahre) noch mit einem negativen Realzins von rund 2 Prozent verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist, explodiert der negative Realzins im Jahr 2022 wohl schon deutlich auf über 7 Prozent. Um dem entgegen zu wirken, sind der Bausparer oder eine Lebensversicherung sicherlich keine guten Alternativen. Aktuell gibt es kaum eine seriöse Assetklasse, mit der man bei 10,5% Inflation (09/22) positive Realzinsen erzielen kann.

Negative Realzinsen belasten alle Sparer, da ihre Zinseinkommen aktuell sehr gering sind und die Kaufkraft ihrer Bankeinlagen stärker fällt. Gleichzeitig begünstigen niedrige Zinsen Schuldner, vor allem die hoch verschuldeten Staaten, aber natürlich auch Unternehmen und Private, weil deren Zinsbelastung geringer ist. Lange Phasen niedriger Zinsen können daher zu einer Verschuldung verleiten, die bei höheren Zinssätzen nicht mehr tragbar ist. Derartige Verhaltensweisen stellen Risiken für die Finanzmarktstabilität dar. Der nunmehr erfolgte rapide Anstieg der Leitzinsen wird für viele Privatpersonen, insbesondere junge Familien, die sich Wohnraum geschaffen haben, eine große Herausforderung darstellen. Einige davon werden diese schlussendlich nicht stemmen können. Aber auch viele Unternehmen werden nach den Krisenjahren aufgrund der Zinswende endgültig kapitulieren müssen. Und wie sich die deutliche Zinswende mit den maroden Budgets und der hohen Staatsverschuldung der südlich gelegenen EU-Staaten vereinbaren lässt, wird sich erst zeigen. Dieser Punkt wird wohl auch der wesentliche Grund dafür gewesen sein, warum man nicht schon früher stetige, maßvolle Zinserhöhungen vorgenommen hat.

Die Inflationsrate in der Europäischen Union lag im September 2022 mit 10,9% etwas höher als die österreichische, die baltischen Staaten liefern sich mit mehr als 20% ein Rennen um den „Spitzenplatz“. Da die hohen Inflationsraten zu einem großen Teil den enormen Energiepreissteigerungen geschuldet sind, bleibt es abzuwarten, ob und wie schnell die Zinserhöhungen der EZB in den nächsten Monaten eine Wirkung erzielen. Ob uns das Jahr 2023 „nur“ in eine Stagflation führt, oder ob wir schlussendlich in einer Rezession aufwachen, kann kaum ein Wirtschaftsforscher seriös prognostizieren.

Was als Ergebnis der lange bestehenden Nullzinsphase aber positiv hervorgehoben werden kann, ist der Umstand, dass sich dadurch viel mehr junge Menschen vom Sparbuch abgewendet haben und sich seither selbständig mit ihrer Zukunftsvorsorge beschäftigen. Dadurch haben viele die erfreuliche Erfahrung gemacht, dass ein gut diversifiziertes Aktiendepot und auch so mancher ETF oder Fonds die beste Vorsorge-Möglichkeit darstellen. Dies ganz unabhängig davon, ob die Inflation nun höher oder niedriger ausfällt.

Kolumne im Börsen Kurier am 03. November 2022 veröffentlicht von:

DOMINIK HUBER

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