Bis auf wenige Einzelpersonen zeigen die meisten führenden Politiker in Österreich immer weider, dass sie nicht viel von Finanzbildung sowie vom Kapital-/Aktienmarkt halten (und verstehen). Kaum ein namhafter Politiker des letzten Jahrzehnts erlaubt sich öffentlich kund zu tun, dass er selbst Wertpapiere besitzt. Dies ist sicherlich für die meisten nichts Neues. Insbesondere die SPÖ aber auch die Grünen prangern den Kapitalmarkt umfassend und oft an, und stellen diesen als Spielwiese für die Reichen dar. Und das, obwohl in mehreren Umfragen der letzten Jahre festgestellt wurde, dass sich unter den Wählern der Grünen der größte Anteil an Wertpapierbesitzern (rund 40%) befindet. Erst dahinter folgen die Wähler der NEOS und der ÖVP. Zuletzt polterte die grüne Nationalrätin Eva Blimlinger sogar gegen die äußerst wichtige Forderung, dass die Schule für “die Praxis des Lebens” sorgen solle, in dem sie etwa Finanzwissen vermittle. Sie entgegnete dieser Forderung mit folgender schockierenden Aussage: “Also für die Praxis des Lebens wäre es gescheiter, sie lernen kochen und nicht Finanzwissenschaften. Weil das ist nicht die Praxis des Lebens. Wie ich ein Gulasch mache, ist wichtiger als zu wissen, wie eine Aktie funktioniert.”
Dies zeigt uns, dass offenbar noch immer ein Teil der Politiker dagegen ankämpft, in den Schulen mehr Finanzbildung zu lehren. Lieber bedienen sie sich klassenkämpferischer Ressentiments und stellen insbesondere den Aktienmarkt als Ort für Zocker und Reiche dar. Dabei zeigt uns die Vergangenheit klar auf, dass es sich lohnt, etwas über Finanzbildung und insbesondere den Aktienmarkt zu wissen. Ein heute vor zehn Jahren in einen breit gestreuten Aktienfonds/ETF (dem MSCI World) investierter Euro hat sich bis heute mehr als verdoppelt. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von nahezu 8 %. Da könenn weder die Pensions- und Vorsorgekassen noch das gesetzliche Pensionssystem annähernd mithalten, wie eine Auswertung der Agenda Austria gut aufzeigt.
In mehreren Umfragen hat der Großteil jener, die noch keine Wertpapiere besitzen, angegeben, zu wenig über den Markt zu wissen. Daher ist es essentiell, die Finanzbildung in Österreich zu stärken, da im Lichte des maroden staatlichen Pensionssystems eine dritte Säule – die private Vorsorge – für jeden in der Pension dringend notwendig sein wird. Ganz besonders für jene von uns, die erst in 20, 30 oder 40 Jahren in die Nähe des (aktuellen) Pensionsantrittsalters kommen. Ein prognostiziertes Defizit (Pensionsloch) von mehr als 30 Mrd€ jährlich ab 2025 oder spätestens ab 2026, und ein erwarteter weiterer Anstieg, wird unser Staatsbudget irgendwann über die Belastungsgrenzen führen.
Das wachsende Interesse an Wertpapieren der vergangenen Jahre ist eine große Chance für Zukunftsfragen und die grüne Transformation. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste Regierung dies zu schätzen weiß und auch die politischen Hebel in Sachen Finanzbildung und in Sachen Kapitalmarkt endlich in Gang setzt.
Kolumne im Börsen Kurier am 5. September 2024 veröffentlicht von:
DOMINIK HUBER
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