Steuerpolitik ohne Fokus auf Nachhaltigkeit und mündige Bürger

Leider ist es wieder einmal ruhig geworden, was nachhaltige Adaptierungen der Steuergesetze betrifft. Finanzminister Brunner und seine Regierungskollegen sind hauptsächlich mit steuerlichen Änderungen und Gutscheingeschenken in feuerlöschender Manier, dort wo es gerade am stärksten brennt, beschäftigt. Erst recht in Krisenzeiten wie diesen sollte die gesamte Regierung aber erkennen, dass es enorm wichtig ist, Zukunfts- und Altersvorsorge zu fördern bzw. schlicht zu ermöglichen, und diese nicht auch noch mit überhöhten Kapitalertragsteuern zu bestrafen. Die Wiedereinführung der Behaltefrist, wie sie auch im Regierungsprogramm festgeschrieben wäre, ist längst überfällig! Laut den Aussagen des Finanzministers steht aber leider der Regierungspartner auf der Bremse.

Auf den Punkt bringt es der CEO der Wiener Börse, Christoph Boschan: „Die Wiedereinführung der Behaltefrist regt zum Investieren an, nicht zum Spekulieren. Diese Mittel werden wir für die Transition in die CO2-freie Zukunft, den demografischen Wandel und die Innovationssicherung brauchen.“ Diese Aussage stammt vom Februar 2022, und auch die neuerlichen Ankündigungen von ÖVP-Finanzminister Brunner stammen aus dieser Zeit.

Die Einführung einer KESt-Befreiung nach einer Behaltefrist wäre ein notwendiger Schritt zur Bildung einer breiteren Aktionärsbasis in Österreich. Es wäre auch ein effizienter Weg zur Absicherung vor Altersarmut und zur Schaffung eines Finanzpolsters für Krisen-Zeiten.

Der verheerende Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben uns in einen Bärenmarkt befördert. Sehr wahrscheinlich wird das Börsenjahr 2022 nicht besonders erfolgreich abgeschlossen werden. Viele Anleger haben aufgrund von Umschichtungen, Inflationsängsten oder dem Anzapfen von Finanzreserven teils Verluste realisieren müssen, und das führt uns zur nächsten massiven Ungerechtigkeit im österreichischen Steuersystem. Während Unternehmen ihre Verluste auf Folgejahre vortragen können, können wir Privat- und Kleinanleger Verluste lediglich mit anderen realisierten Gewinnen im selben Jahr ausgleichen. Erfolgt kein Ausgleich im selben Jahr, verfallen die Verluste und im Folgejahr wird bei Gewinnen wieder massiv vom Staat zugelangt. Auch hier muss der Gesetzgeber Handlungen setzen, welche eine faire Besteuerung ermöglichen!

Eines ist gewiss – Die Regierung muss wegkommen von einer auf Symptombekämpfung fokussierten Politik, und strategisch – anstatt anlassbezogen – handeln. Bestrebungen in Richtung eines fundierten Steuer- und Wirtschaftskonzeptes, in dem sich ein junger Anleger selbständig eine nachhaltige Vorsorge (für Krisen wie die aktuelle) aufbauen kann, lassen die Regierungen der vergangenen Jahre bedauerlicherweise missen.

Kolumne im Börsen Kurier am 28. Juli 2022 veröffentlicht von:

DOMINIK HUBER

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