Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Hauptversammlung? Für viele war und ist es ein unvergessliches Erlebnis – sofern es denn eine spannende Versammlung war. Was kann ein junger Aktionär hier lernen? Wo stehen wir heute?
COVID 19: Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Mittel. In der Pandemie war es wohl nachvollziehbar, dass wir besondere Maßnahmen zur Durchführung von Hauptversammlungen gebraucht haben. Die virtuelle Hauptversammlung hat einen Rahmen geboten, aber bei weitem nicht im notwendigen rechtlichen Ausmaß und mit der Präsenz-HV vergleichbar.
Jetzt ist eine Rückbesinnung auf die Werte der Hauptversammlung nötig. Einmal im Jahr hat man als Aktionär die Möglichkeit, sein wesentliches Mitbestimmungsrecht aktiv auszuüben. Über die wichtigsten Entscheidungen einer Aktiengesellschaft kann man ein Votum abgeben. Im Rahmen der Hauptversammlung können wir z.B. die vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns oder die Vornahme von Kapitalmaßnahmen genehmigen oder ablehnen, und wir haben auch das Recht, dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat das Vertrauen bzw. die Entlastung auszusprechen (oder eben nicht).
Zuweilen entsteht eine hitzige Diskussion, in der man als junger Mensch sehr viel lernt. Eines der mitunter spannenden Rechte von uns Aktionären resultiert aus dem Paragrafen 118 des Aktiengesetzes, der uns dadurch ein umfassendes Auskunftsrecht in der Hauptversammlung einräumt. Dieses verschafft uns die Gelegenheit, den Vorstand und Aufsichtsrat direkt in der Hauptversammlung mit relevanten Fragen zur Tagesordnung, zum Jahresabschluss und somit zum gesamten Unternehmen zu fordern. Die daraus resultierenden Informationsgewinne und Lerneffekte, die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts, das Networking im Anschluss und vieles mehr sind gute Gründe dafür, die Präsenz-Hauptversammlung zu besuchen.
Doch leider finden wir uns aktuell noch recht selten physisch zusammen. Fragen, die per E-Mail eintrudeln werden schwammig bis uninteressant beantwortet. Diskussion: Fehlanzeige. Der Aktionär erlebt einen Bore-Out am Computer – ohne Erkenntnisgewinn. Gerade junge Aktionäre könnten jedoch besonders von den dargestellten Problemen und deren Lösungen durch qualifizierte Vorstände und Aufsichtsräte besonders profitieren und lernen. Die Corona-Pandemie-Situation ist zwischenzeitlich nicht existent, somit gibt es keinerlei nachvollziehbare Begründung für die Durchführung einer Hauptversammlung in „virtueller“ Form.
Vor allem uns junge Aktionäre freut es daher, wenn Aktiengesellschaften sich wieder zum Präsenz-Format bekennen und auch einen gewissen Lerneffekt für junge Menschen ermöglichen.
Kolumne im Börsen Kurier am 05. Mai 2022 veröffentlicht von:
DOMINIK HUBER
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